Stellungnahme von Dr. Schneewolf
Bei dem Wirtschaftsausschuss des Brandenburgischen Landtags am 9. Februar 2011 ging es um die generelle Erdverkabelung von 110kV-Freileitungen. Bei dieser Anhörung hielt auch Herr Dr. Rainer Schneewolf von der Bürgerinitiative “Hochspannung tief legen” einen Redebeitrag:
Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrter Herr Minister, sehr geehrte Damen und Herren des Wirtschaftsausschusses,
zunächst möchte ich mich bedanken, dass Sie außer den juristischen und technischen Experten auch zwei Vertreter von Bürgerinitiativen eingeladen haben, einen für die 380-kV- und einen für die 110-kV-Ebene. Ich bin Sprecher der Bürgerinitiative Hochspannung tief legen in der Prignitz und außerdem Vorsitzender des Ausschusses für Umwelt und Gewerbe einer von einer geplanten Hochspannungsfreileitung betroffenen Gemeinde, deren Gemeindevertretung sich, wie die weiterer Gemeinden, einstimmig für eine Erdverkabelung ausgesprochen hat.
In Brandenburg sind gegenwärtig ca. 310 Neubau-km für 110-kV-Freileitungen geplant. Das entspricht, aneinandergereiht, dem 1 ½-fachen der Nord-Süd-Ausdehnung des Landes Brandenburg. Bei allen ist noch kein Planfeststellungsverfahren eröffnet.
Die geplanten Leitungen liegen in den Landkreisen Prignitz, Ostprignitz-Ruppin, Havelland, Märkisch-Oderland, Teltow-Fläming und Potsdam-Mittelmark.
In der Bevölkerung und auf allen kommunalen Ebenen dieser Landkreise gibt es Widerstand dagegen und die Forderung einer grundsätzlichen Erdverkabelung. Ich kann daher hier auch für die anderen Regionen sprechen, von der Bürgerinitiative in Märkisch-Oderland und der Kreisverwaltung Teltow-Fläming bekam ich eigens Informationen für diese Anhörung.
Die geplanten Leitungen resultieren aus dem bereits erfolgten Bau sowie dem prognostizierten Zubau Erneuerbarer Energien. Ein Gutachten der BTU Cottbus von 2008 prognostiziert für 2020 eine Windleistung von 7 GW gegenüber den 3,1 GW von Januar 2007. Der dann erzeugte Strom lässt sich ohne Netzausbau nicht abführen.
Der Leitungsbau trifft daher in erster Linie die Regionen, die bereits v.a. durch Windkraft-Anlagen belastet sind, und deren Belastung noch erheblich zunehmen wird, sei es, dass weitere und tendenziell höhere gebaut werden, sei es, dass bestehende durch höhere ersetzt werden.
Von der Bevölkerung dieser Regionen wird Akzeptanz gefordert für die Duldung neuer Freileitungen. Von Akzeptanz auf Seiten von Gesetzgeber und Netzbetreibern gegenüber den Forderungen der Bevölkerung nach einem sozial- und umweltverträglichen Netzausbau ist dagegen in Medien und politischer Diskussion nicht die Rede.
Die Netzbetreiber können gegen den erklärten Willen einer ganzen Region einschließlich der Kommunen und Landkreise eine Freileitung durch eine Landschaft ziehen, weil die gesetzlichen Regelungen es den Netzbetreibern voll und ganz überlassen, ob sie mit einer Leitung über oder unter die Erde wollen.
Zwar enthält die Anreizregulierungsverordnung den Passus, dass eine Erdverkabelung auf der Hochspannungsebene möglich ist, wenn die Mehrkosten gegenüber einer Freileitung den Faktor 1,6 nicht übersteigen. Aber es gibt keinerlei Verpflichtung, eine solche Vergleichsrechnung anzustellen.
Und sollte eine solche Rechnung, obwohl vom Netzbetreiber beauftragt, zu einem Mehrkostenfaktor von unter 1,6 kommen, kann ihn trotzdem niemand daran hindern, eine Freileitung zu bauen. Der Mehrkostenfaktor 1,6 ist daher in unseren Augen Augenwischerei.
Es ist eine dringende Aufgabe des Gesetzgebers, die Energiegesetzgebung, die hier Innovationen ausbremst, zukunftsfähig zu machen. Und Aufgabe der Länder, hierauf zu dringen und alle Spielräume, die sie haben, voll zu nutzen.
Es resultiert wohl aus dieser gesetzlich gestatteten Freizügigkeit hinsichtlich der Nutzung von Landschaften, dass die von Netzbetreibern eingereichten Genehmigungsunterlagen in der Regel keine Daten enthalten, die die Notwendigkeit der beantragten Leitungen nachweisen, oder die begründen, warum diese gerade dort längs führen sollen, wo sie sie planen.
Das zentrale Argument für die Ablehnung von Erdverkabelung sind deren Mehrkosten, die man dem Endverbraucher nicht zumuten könne.
Auskünfte hierüber in Heller und Pfennig waren bisher für die 110-kV-Ebene trotz Nachfragen nicht zu erlangen. Aber man kann die Daten aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Links-Fraktion unter Zuhilfenahme zusätzlicher Daten des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft von Prozentangaben in absolute Zahlen umrechnen.
Auf diesem Weg kommt man bei 1.000 km Erdkabelleitung gegenüber einem Freileitungsbau auf eine Erhöhung der Jahresstromrechnung eines durchschnittlichen Haushalts um ca. 10 bis 20 Cent. Hochgerechnet auf ganz Deutschland kommt man in die Nähe des einen Euro, den Herr Dr. Ahmels nannte. 310 km Erdkabel in Brandenburg wären vom Endverbraucherhaushalt entsprechend mit 3 bis 6 Cent im Jahr zu bezahlen.
Bei der Kostendiskussion ist zu berücksichtigen, dass ganz wesentliche Kosten einer neuen Leitung nicht vom Endverbraucher, sondern von der Region getragen werden, durch die die Leitung führt. Dies sind die Beeinträchtigung von Land- und Forstwirtschaft, Schäden der Fauna, die technische Überprägung des Landschaftsbildes, die Beeinträchtigung des Tourismus, die Minderung des Wohn- und Freizeitwerts, die Minderung des Werts von Immobilien bis hin zu Prozess- und politischen Kosten.
Die politischen Kosten, und ich halte sie für hoch, bestehen darin, dass die Bevölkerung erfährt, dass Kommunen und Kreise hier hilflos sind und die Raumordnungsgesetzgebung und –behörden ihres Bundeslandes nicht bereit oder nicht in der Lage ist, sie vor einem umwelt- und sozialunverträglichen Netzausbau zu schützen. Das trägt zum hohen und weiter zunehmenden Politik- und Demokratieverdruss und ganz bestimmt nicht zur Akzeptanz weiterer energieerzeugender Anlagen bei.
Die Akzeptanz einer Erdverkabelung ist, wie Beispiele aus Schleswig-Holstein, Niedersachsen und der Uckermark zeigen, längs der Trasse groß. Es liegen keine für die Landwirtschaft oder aus naturschutzfachlicher Sicht negativen Erfahrungen vor.
Selbst in der Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums, das des Schönredens in dieser Hinsicht völlig unverdächtig ist, auf eine Kleine Anfrage heißt es, dass eine Erdverkabelung grundsätzlich geringere Auswirkungen auf Flora, Fauna, Boden, gesundheitliche Risiken, Beeinträchtigung der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung, Wertminderung in der betroffenen Region für Wohnen, Erholung, Tourismus und Immobilien haben kann. Und dass Erdkabellösungen auf der Hochspannungsebene Stand der Technik sind und Untersuchungen gezeigt haben, dass die Erdverkabelung grundsätzlich die Akzeptanz steigern kann.
Ich komme zum Fazit:
Aus Gründen der Sozial- und Regionalverträglichkeit, oder deutlicher: aus Gründen der Brandenburgverträglichkeit ist eine Vollerdverkabelung aller hier geplanten neuen Hochspannungsleitungen erforderlich.
Ich möchte betonen: Vollerdverkabelung. Denn Teilverkabelungen sind jetzt schon in hochrangigen Schutzgebieten möglich. Aber gegenüber der überholten, raumschädigenden Freileitungstechnik muss ganz Brandenburg hochrangiges Schutzgebiet sein!
Das Land sollte hierfür unverzüglich alle in seiner Macht stehenden Weichen stellen. Es darf mit den Zielen der Brandenburgischen Raumordnung nicht mehr verträglich sein, Hochspannungsfreileitungen durch die Lande zu ziehen, und damit insbesondere die Regionen zu schädigen, die ohnehin durch Großanlagen der Erneuerbaren Energien belastet sind und in Zukunft noch mehr belastet werden, und die auf eine Wahrung ihrer Lebensqualität wie auch auf Zuzug dringend angewiesen sind.
Damit diese Weichenstellung umgehend konkret gemacht wird – und hier spreche ich nicht mehr auch für die anderen Regionen – schlagen wir vor, mit einer der geplanten Leitungen gleich zu beginnen und die Prignitzleitung als Erdkabel-Referenzprojekt zu bauen.
Der Landkreis Prignitz produziert bereits heute 71 % mehr EE-Strom als er selbst Strom verbraucht und liegt damit an der Spitze in Deutschland. Aus West- und Ostprignitz hat sich bereits vor zwei Jahren ein großer Runder Tisch, darunter Vertreter beider Kreisverwaltungen, mehrer Kommunen, des Bauernverbands, eine Bundestagsabgeordnete, zwei Landtagsabgeordnete (davon eine Landesministerin) sowie drei Superintendenten der evangelischen Kirche an den Bundestag gewandt, durch das EnLAG eine grundsätzliche Erdverkabelung neuer Hochspannungsleitungen zu ermöglichen. Der Kreistag Prignitz hat dies einstimmig unterstützt.
Das Land sollte einem Beispiel in Hessen folgen und sich bereit erklären, ggf. unterstützt durch das Bundesumweltministerium, die Investitionskosten für eine Vollerdverkabelung in dem Maße zu tragen, wie dabei der gesetzlich verankerte Mehrkostenfaktor von maximal 1,6 überschritten wird. Das Land ginge hier voraussichtlich nur geringe finanzielle Risiken ein.
Eine Erdverkabelung über eine solche Strecke und im ländlichen Raum hat es in Deutschland bisher nicht gegeben und würde es auch so lange nicht geben, wie man die Gesetzeslage nicht ändert. Das Referenz-Projekt würde konkret zeigen, auf welche Akzeptanz eine Erdverkabelung stößt, welche Kosten tatsächlich entstehen, und welche Kostenbereiche in welchem Maße unter welchen Rahmenbedingungen zu den Gesamtkosten beitragen.
Es würde auch erlauben, Verbesserungsmöglichkeiten im Vorgehen auf der rechtlichen und vertraglichen Seite, hinsichtlich der Beteiligung der Öffentlichkeit wie auch bei der technischen Durchführung zu erkennen und für folgende Projekte zu nutzen.
Es würde nicht nur einer Region und dem Land Brandenburg nützen, sondern für ganz Deutschland einen wichtigen Erkenntnisgewinn zugunsten einer umwelt- und sozialverträglichen, zukunftsfähigen Netzintegration Erneuerbarer Energien bringen.
Oktober 16th, 2014 at 19:29
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Oktober 22nd, 2014 at 09:29
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Oktober 23rd, 2014 at 03:02
Dr. Patel Dentis…
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Dezember 3rd, 2015 at 08:40
Thanks for sharing your thoughts on besi. Regards